
Nordeifel.Werkstätten feierten ihr großes Jubiläum, bei dem wie im Leitgedanken der Mensch im Mittelpunkt stand – Hauptamtliche um NE.W-Geschäftsführer Christoph Werner bescherten den Beschäftigten mit Behinderung ein großartiges Fest

Euskirchen – Fünf Jahrzehnte Nordeifel.Werkstätten (NE.W), das heißt 50 Jahre Einsatz für Menschen mit Behinderung im Kreis Euskirchen. Das musste natürlich gefeiert werden – aber auch dabei sollten, wie NE.W-Geschäftsführer Christoph Werner betonte, die rund 1200 Beschäftigten, also Menschen mit verschiedensten körperlichen, psychischen und kognitiven Handicaps, im Mittelpunkt stehen. Und dies ist Werner und seinem aus rund 300 hauptamtlichen Mitarbeitenden bestehenden Team am vergangenen Donnerstag in der Feuerhalle Alte Tuchfabrik Euskirchen begeisternd gelungen. Betriebsleiter standen den gesamten Tag hinter der Kaffeemaschine und schenkten den Beschäftigten auch am Ende des langen Tages noch mit einem Lächeln das begehrte Heißgetränk ein. Die NE.W eigenen Küchenteams sorgten für das leibliche Wohl, unterstützt vom inklusiven CAP-Supermarkt. Die inklusive Haus-Band Kontraste brachte die Menge zum Jubeln, Tanzen und Klatschen, ebenso wie der Auftritt der Tanzgruppe. Die Moderation des Tages übernahm gekonnt der in der IT angestellte Rene Blum.
Im Innenhof gab es Spielstationen von Dosenwerfen über Wikingerschach und Torwandschießen bis hin zur selbstgebauten Wurfmaschine aus Holz: Nach dem Treffer einer Holzscheibe mit einem Tennisball feuerte ein Hebelarm zurück und katapultierte ein Holzstäbchen Richtung Werfenden – was dann als Tauschstück für eine Schokonuss diente – auch wenn das Stäbchen nicht gefangen wurde. Tischtennis, eine Fotobox mit Verkleidungen, verschiedene Wurfspiele und noch einiges mehr unterhielten die Feiernden. Wer einmal etwas Ruhe brauchte, fand im angrenzenden Gebäude dafür einen speziellen Bereich. Der Aufwand, den das Team unter Organisation von Dorothee Simons vor, während und nach der siebenstündigen Feier gestemmt hat, war enorm. Vom Busdienst bis hin zur pflegerischen Versorgung oder Medikamentengabe von Mitteln, die durchgehend gekühlt werden mussten, kamen zahlreiche besondere Tätigkeiten zu den üblichen bei Großveranstaltungen notwendigen Aufgaben noch oben drauf.
Dank vom Kapitän an großartiges Team

Und so konnte Christoph Werner in seiner Ansprache seinem Team sichtlich bewegt für die tolle Leistung danken und verglich die NE.W mit einem großen Schiff mit fünf Masten stellvertretend für die fünf im Kreis Euskirchen verteilten NE.W-Standorte: „Ihr seid die Mannschaft – und jede und jeder von euch ist wichtig!“ Mit lautstarkem Jubel und berechtigtem Stolz stimmten Beschäftigte wie Hauptamtliche zu, denn die NE.W sind nicht nur einer der größten Arbeitgeber im Kreis, sondern zeichnen sich durch hohe Qualität bei marktfähigen Preisen aus, ob es um Dienstleistungen etwa im Montagebereich für namhafte deutsche Waschmaschinenhersteller, Logistik, Saunen von einfach über klappbar fürs Wohnzimmer bis zur Premium-Sauna, Digitalisierung von Akten, Druckerzeugnisse, Gartenbau oder Lebensmittelabfüllungen und mehr geht. In Außenstellen betreibt die NE.W zudem Kantinen, den Bügelprofi und Cafés und stellt Außenarbeitskräfte vom Ein-Mann- oder Ein-Frau-Einsatz bis zur Arbeitskolonne.

NE.W-Verwaltungsratsvorsitzende Rita Witt sagte in ihrem Grußwort: „Bei den NE.W werden Talente entdeckt und gefördert. Wir haben vor 50 Jahren mit 50 Menschen angefangen, heute sind es rund 1.500 Beschäftigte und Mitarbeitende!“ Die NE.W verwandle Barrieren in Chancen und habe sich so auf dem Arbeitsmarkt etabliert: „50 Jahre NE.W sind eine Entwicklung von fast unsichtbar bis fast unübersehbar!“
Landrat Markus Ramers hatte sich seine Rede eigens vom NE.W-eigenen Büro für Leichte Sprache übersetzen lassen und so eine weitere Dienstleistung, diesmal aus dem Mechernicher Standort QuBi.Eifel, in den Fokus gerückt: „Die NE.W haben viele wichtige Aufgaben übernommen. Und die NE.W zeigen, wie Inklusion funktioniert.“ Er berichtete begeistert von den vielen Produkten und Dienstleistungen, von denen er einen kleinen Teil auch bei der Aktion „Schichtwechsel“ erleben durfte. Denn da war er einen Tag in der NE.W-Schreinerei Zingsheim im Einsatz. Auch für die Kreisverwaltung seien die NE.W ein wichtiger Partner – und bald noch viel mehr, denn er freue sich schon darauf, dass demnächst das Cafésito-Team Euskirchen in der Kantine des Kreishauses für gutes Essen sorge.
„Brings“ brachte die Menge zum Kochen

Trotz Besuchs von zahlreicher Prominenz aus Politik und Verwaltung hatte das Team bewusst auf weitere Reden oder Podiumsdiskussionen verzichtet und dafür einer ganz andern Prominenz die Bühne frei gemacht: „Brings“ ließen es zum Abschluss des gelungenen Tages mit energetischer Show und persönlichen Ansagen so richtig krachen und sorgten für Hochstimmung im Saal. Die Beschäftigten dankten es mit ausgelassenem Tanzen, Polonäsen und lautem Jubel, teilweise geschmückt mit Hüten und Westen im traditionellen Karomuster der Kölsch-Rock-Band. Zudem zeigten sie sich äußerst textsicher und sangen kräftig mit. Im lockeren Gespräch mit vielen Selfies mit den Beschäftigten zeigten Bandgründer Peter und Stephan Brings wieder ihre sozialen Werte, ließen keinen Zweifel an ihrer Einstellung („Hier sind die normalen Menschen, da draußen sind jede Menge Verrückte“) und sorgten auch so für unvergessliche Momente.
Zur Historie: Am 1. Oktober 1975 öffnet die erste Werkstatt für Menschen mit Behinderung im Kreis Euskirchen ihre Pforten, und zwar in einem ehemaligen Schulgebäude in Zülpich-Dürscheven. Damals werden Menschen mit Behinderung noch oft von der Öffentlichkeit ferngehalten. Dass sich die Einstellung zu Menschen mit Behinderung in den nächsten Jahrzehnten ändert, ist einem Prozess zu verdanken, an dem die Nordeifel-Werkstätten maßgeblich beteiligt sind.
Bereits fünf Jahre später wird in Zülpich-Ülpenich eine Werkstatt für 150 beschützte Arbeitsplätze errichtet, die 1981 bezogen wird. Die Werkstatt wird 1990 und 1999 in zwei Bauabschnitten auf 330 Plätze erweitert.
1984 erwerben die Nordeifel-Werkstätten ein leerstehendes Industriegebäude in Nettersheim-Zingsheim, das nach zweijähriger Bauzeit eine weitere Werkstatt mit 80 Arbeitsplätzen bietet. Diese wird 1992 um weitere 80 Arbeitsplätze erweitert. Im Schreinereibereich werden erste Saunakabinen als Eigenprodukt der Nordeifelwerkstätten hergestellt, die zunächst an Baumärkte und später über Fachhändler vertrieben werden.
2002 wird dort eine neue Holzfertigungswerkstatt errichtet, 2009 um eine neue Werkhalle erweitert. Am Standort Zingsheim stehen damit 250 Werkstattplätze zur Verfügung.
1987 wird im ehemaligen belgischen Kasino in Euskirchen eine Werkstatt für Menschen mit seelischen Erkrankungen mit 60 Plätzen eröffnet. Der Zuspruch ist so groß, dass eine Erweiterung notwendig wird. Diese wird 1991 in Euskirchen-Kuchenheim umgesetzt: Nach 18-monatiger Bauzeit kann die Werkstatt in Kuchenheim mit 85 Plätzen fertiggestellt und eingeweiht werden. Die Werkstatt wird durch den Neubau weiterer Hallen und die Anmietung von Nachbargebäuden auf 300 Plätze erweitert.
1995 mieten die NEW einen leerstehenden Betrieb im Kaller Gewerbegebiet an und eröffnen eine weitere Werkstatt. Die Werkstatt wird durch Anbauten in 2000 und den Bau einer Werkhalle in 2014/2015 stetig erweitert.
2009 wird das Integrationsunternehmen „EuLog Service gemeinnützige GmbH“ in Kuchenheim gegründet. Als weitere Tätigkeitsfelder werden in 2013 handwerkliche Dienstleistungen und in 2014 ein CAP-Lebensmittelmarkt in Kuchenheim und im Zentrum von Bad Münstereifel der Nahversorgungsmarkt „NimmEssMit“ aufgebaut. 2023 öffnen die beiden Cafésito in Bad Münstereifel und Euskirchen.
2024 wurde das neue Qualifizierungs- und Bildungszentrum für Menschen mit Behinderung eröffnet, das QuBi.Eifel, gesprochen „Kubi“. Dort sind die bisherigen Eingangs- und Berufsbildungsbereiche der NE.W in einem modernen Gebäude zentralisiert. Im QuBi werden meist junge Menschen mit Handicap direkt nach der Schule, aber auch ältere Menschen, die etwa durch physische oder psychische Einschränkungen wie etwa Depression, Burnout oder Psychosen vorübergehend oder dauerhaft aus ihrem bisherigen Arbeitsleben ausscheiden müssen, geschult, fortgebildet und gestärkt.
Einen Rückschlag gibt es am 2. Juni 2011, als ein Großbrand 3.000 Quadratmeter Produktions- und Lagerfläche mit Sanitär- und Sozialräumen am NEW Standort Ülpenich zerstört. Der Wiederaufbau dauert zwei Jahre. Heute haben sich die NE.W nicht nur als umfassender Dienstleister für Menschen mit Behinderung etabliert, sondern durch marktfähige Produkte und Dienstleistungen mit hohem Sozialfaktor auch als angesehener Partner vieler Unternehmen.